Demenz – Forschung und Versorgung
Auf dem richtigen Weg zum fernen Ziel - Die Forschung sucht vor allem nach einer vorbeugenden Therapie, denn „wenn die Krankheit ausgebrochen ist, ist es zu spät“
29.02.2008
Idealfall Ursachenbehandlung
Christian Haass im Gesundheitsforum der Süddeutschen Zeitung
"...Der Erwartungsdruck, der auf der Forschung lastet, ist enorm. Denn die molekularen Mechanismen der Alzheimer-Krankheit werden immer besser verstanden – eine zuverlässige Ursachenbekämpfung ist jedoch noch nicht möglich. Diese Kluft, so die Botschaft der Diskussionsteilnehmer, könne nur durch noch engerer Zusammenarbeit aller Disziplinen überwunden werden. Ein Wissenschaftler, der große Hoffnungen weckt, ist Christian Haass. Er leitet an der LMU seit 2001 einen Sonderforschungsbereich für Krankheiten, die mit dem Untergang von Nervenzellen einhergehen (neurodegenerative Erkrankungen). Der Biochemiker nennt es eine „Erfolgsstory der biomedizinischen Forschung“, dass heute bekannt ist, wie die Alzheimer-Krankheit sehr wahrscheinlich entsteht: Die Plaques enthalten Amyloid, eine giftige Substanz, welche in großem Ausmaß Nervenzellen abtötet. Das Amyloid wird zuvor aus größeren Proteinen herausgeschnitten, „mit Enzymen, die funktionieren wie Scheren“, erläuterte Haass. Und an diesen „Scheren“ setzen er und seine Kollegen an: Sie testen Wirkstoffe, die diese blockieren. Im Idealfall würden dann gar keine Plaques mehr gebildet – kein Amyloid, keine Ablagerungen. „Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass der Gedächtnisverlust damit dramatisch aufgehalten werden kann“, sagte Haass.
Allerdings: Die Nebenwirkungen für den Menschen sind noch enorm – denn die Eiweiße, die Haass Scheren nennt, sind nicht nur schädlich für das Gehirn, sondern erfüllen auch wichtige Funktionen. Deshalb suchen die Forscher nun Stoffe, welche die Scheren nicht zerstören, sondern nur verbiegen. Derzeit werde etwa der Schmerzstiller Ibuprofen als solcher „Scherenverbieger“ getestet, sagte Haass. Mit solchen Substanzen ließen sich zwar nicht alle Probleme der Demenz lösen, jedoch die Krankheit mit Sicherheit um zehn bis 15 Jahre verschieben. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, versicherte er. Jedoch könne er als Grundlagenforscher nicht beantworten, wie lange es dauert, bis ein auf der Grundlage dieser Mechanismen entwickeltes Medikament für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit einsatzbereit sei. Bislang befinden sich die meisten dieser Verfahren noch im Tierversuch. ..."
Impfung gegen Alzheimer?
"Mediziner, Pharmakologen und Biochemiker suchen nicht nur nach einem neuen, wirksamen Medikament gegen die Alzheimer-Erkrankung, sondern sie erforschen noch eine weitere Möglichkeit im Kampf gegen die Krankheit: eine Impfung gegen Alzheimer. „Im Tierversuch klappt das bereits einwandfrei“, sagte Biochemiker Christian Haass.
Man impft Mäuse, die genetisch so verändert wurden, dass sie Alzheimer bekommen, mit Amyloid, also mit der Substanz, die im Gehirn von Alzheimer- Patienten die giftigen Plaques bildet und Nervenzellen zerstört. Das Immunsystem der Mäuse bildet daraufhin Antikörper gegen das Amyloid – und frisst die Plaques förmlich auf. Das funktioniert beiMäusen, die bereits erkrankt sind; bei Alzheimer- Mäusen, welche geimpft werden, bevor sich im Gehirn die ersten Plaques gebildet haben, entstehen erst gar keine Ablagerungen. Ließe sich das auf den Menschen übertragen, wäre eine vorbeugende Therapie gefunden.
Haass dämpfte freilich die Erwartungen gleich wieder. Denn eine erste, sehr kleine Studie an Patienten musste abgebrochen werden: Etwa sieben Prozent der Testpersonen hatten nach der Immunisierung eine lebensbedrohliche Gehirnentzündung bekommen. Allerdings sei, entgegen manchen Medienberichten, kein Patient an den Folgen der Impfung verstorben, betonte Haass. Und immerhin hatte sich bei all den Patienten, deren Immunsystem nach der Impfung viele Antikörper gebildet hatte, die Gedächtnisleistung zunächst stabilisiert.
Inzwischen suchen die Wissenschaftler nach Methoden der Impfung, die keine Entzündungen auslösen. Mit der sogenannten passiven Impfung sollen Nebenwirkungen vermieden werden. Dabei werden – statt der krankheitsauslösenden Substanz – industriell hergestellte Antikörper gespritzt. Tierversuche waren laut Haass so erfolgreich, dass bereits eine erste Studie am Menschen begonnen werden konnte: In den USA werden derzeit 1000 Testpersonen mit einem solchen passiven Impfstoff behandelt."